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Zeit-Reform: Die Schaltsekunde wird abgeschafft

Die Universalzeit (UTC) wird in Zukunft nicht mehr regelmäßig an die astronomische Zeit angepasst. Das hatten unter anderem Technikunternehmen immer wieder gefordert.
Eine Bahnhofsuhr, überlagert von Nullen und Einsen.
Die Unwägbarkeiten der Erdrotation sind vor allem für hochpräzise digitale Anwendungen wie Finanztransaktionen ein potenzielles Problem.

Spätestens ab 2035 wird es keine Schaltsekunden mehr geben. Das haben Delegierte internationaler Regierungen auf der Generalkonferenz für Maß und Gewicht (CGPM) am 18. November beschlossen. Sie folgen damit unter anderem Forderungen von Technikunternehmen wie Google, für die die relativ kurzfristig eingefügten Korrekturen technische und organisatorische Probleme mit sich bringen. Die Schaltsekunden werden seit 1972 eingefügt, um die mit Atomuhren bestimmte Universalzeit (UTC) möglichst mit der an die Erdrotation gebundenen astronomischen Zeit synchron zu halten. Nun sollen die Schaltsekunden für mindestens ein Jahrhundert ausgesetzt werden. Wie danach weiter verfahren werden soll, ist bisher nicht klar.

Die Schaltsekunden sind vor allem ein technisches Problem, weil sie nicht vorhersehbar sind. Sie werden nötig, weil sich die Erdrotation nach und nach verlangsamt – das allerdings sehr unregelmäßig. Prozesse im Erdinneren beeinflussen die Erdrotation ebenso wie Erdbeben in der Kruste und sogar Klima und Wetter. Die Auswirkungen sind im Wesentlichen unvorhersehbar. Seit 2020 hat sich die Erdrotation sogar so stark beschleunigt, dass theoretisch eine negative Schaltsekunde nötig sein könnte.

Wegen dieser Unwägbarkeiten werden Schaltsekunden immer nur rund ein halbes Jahr vorher angekündigt. Zusätzlich gibt es keine internationale Norm, wann und wie eine Schaltsekunde integriert wird – es gibt verschiedene Methoden, die zu kurzzeitigen Verschiebungen zwischen verschiedenen Uhren führen. Manche Systeme, wie GPS, ignorieren die Schaltsekunden komplett und orientieren sich an der UTC. Diese Differenzen können im Extremfall einige Zehntelsekunden betragen und bergen die Gefahr von Fehlfunktionen und Sicherheitslücken, zum Beispiel in Finanzmärkten.

Die Abschaffung der Schaltsekunde wird dazu führen, dass UTC und astronomische Zeit im nächsten Jahrhundert um rund eine Minute auseinanderlaufen. Was man dann dagegen unternimmt und ob man die Differenz überhaupt beseitigen will, ist noch unklar. Für eine enge Kopplung von UTC und astronomischer Zeit sprechen vor allem historische und philosophische Gründe – technisch ist es sinnvoller, die Uhrzeit von der Sonne zu entkoppeln. Für die menschliche Wahrnehmung jedenfalls wird es noch sehr lange keinen Unterschied machen – in den meisten Ländern ist man mit der Umstellung von Sommer- auf Winterzeit viel größere Verschiebungen gewohnt.

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